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Risikomanagement im Klinik-Einkauf: 8 Strategien für eine widerstandsfähigere Beschaffung im Krankenhaus

Montag, 1. September 2025

Risikomanagement im Klinik-Einkauf: 8 Strategien für eine widerstandsfähigere Beschaffung im Krankenhaus

Geopolitische Krisen, wirtschaftliche Instabilitäten, wiederkehrende Naturkatastrophen – im Zuge der stetig größer werdenden Risiken für die globalen Lieferketten gewinnt die strategische Komponente im Klinik-Einkauf zunehmend an Bedeutung. Um Lieferengpässe zu vermeiden und gleichzeitig dem Kostendruck zu trotzen, ist ein ganzheitliches Risikomanagement gefragt. Dabei sollten Krankenhäuser nicht nur die richtigen Strategien im Blick, sondern auch einen konkreten Fahrplan für die Umsetzung parat haben.

 

 


 

Früher war im Klinik-Einkauf vielleicht nicht alles besser, aber immerhin vieles einfacher. In Zeiten von Frieden und Wohlstand mussten sich Einkäufer im Krankenhaus primär damit auseinandersetzen, bei welchem Lieferanten sie das beste Produkt zum besten Preis bestellen können.

Heutzutage sehen die Welt und damit auch der Fokus in der Beschaffung anders aus. Die anhaltenden Krisen, die das Risiko von Lieferengpässen exorbitant erhöhen, haben die Prioritäten im Klinik-Einkauf verschoben. Während es lange Zeit nur darum ging, die Ausgaben möglichst gering zu halten, liegt der Fokus mittlerweile auf der Versorgungssicherheit. Im Sinne einer resilienten Beschaffungsstrategie müssen Krankenhäuser nicht nur drohende Risiken frühzeitig erkennen, sondern auch Prozesse aufsetzen, die das strukturelle Fundament bilden, um potenzielle Krisen abzufedern.

 


 

Der erste Schritt auf dem Weg zu diesem Fundament ist eine Risikobewertung. Erst durch eine tiefgehende Analyse möglicher Störfaktoren können Schwachstellen in der Lieferkette identifiziert und deren Auswirkungen auf externe sowie interne Prozesse minimiert werden.

Die Risiken, die im Gesundheitswesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Patientenversorgung haben können, lassen sich grundsätzlich in fünf Kategorien zusammenfassen:

 

1. Lieferanten-bezogene Risiken: Hierzu gehören unter anderem das Risiko, dass ein Lieferant kurzfristig oder dauerhaft ausfällt, sowie das Abhängigkeitsrisiko, in das sich Einkäufer begeben, wenn sie sich auf einen oder wenige Lieferanten verlassen. Kommt es zu Ausfällen, drohen Lieferengpässe, die im Gesundheitswesen oftmals gravierende Folgen haben.

2. Finanzielle und wirtschaftliche Risiken: Unkontrollierte Preissteigerungen oder Preisschwankungen, die beim Risikomanagement als Preisrisiko zusammengefasst werden, können die Profitabilität ebenso gefährden wie Abweichungen zwischen dem prognostizierten und dem tatsächlichen Bedarf. Beim Mengenrisiko besteht die Gefahr, dass zu teuer nachgekauft werden muss oder überschüssige Ware im Abfall landet. Beides belastet die Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern, die in Deutschland ohnehin schon in finanzieller Schieflage stecken.

3. Technologische Risiken: Das Risiko von Ausfällen oder Störungen von IT-Systemen, die die Kommunikation und den Informationsaustausch mit Lieferanten und externen Partnern gefährden, wächst rasant. Veraltete und unzuverlässige Technologien sind dabei genauso eine Gefahrenquelle wie Datenlecks oder Hackerangriffe. Das Thema Cybersicherheit, bei dem der Schutz von digitalen Systemen, Netzwerken und Daten vor Bedrohungen wie unbefugtem Zugriff, Diebstahl, Beschädigung und Missbrauch gewährleistet werden soll, wird auch im Krankenhaus zunehmend wichtiger und ist bei einer Risikobewertung unabdingbar.

4. Geografische Risiken: Ob durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Hurrikans, politische Spannungen oder Handelsbeschränkungen (bspw. Zölle oder Exportverbote) – das Risiko von geografisch und geopolitisch geprägten Ereignissen ist in den letzten Jahren exponentiell gewachsen. Die daraus resultierenden Lieferengpässe erschweren logischerweise die Beschaffung, die auf derartige Krisen vorbereitet werden muss.

5. Regulatorische und soziale Risiken: Ebenfalls immer mehr in den Fokus geraten die Einhaltung von Menschenrechten, Umweltstandards und die Auswirkungen des ökologischen Fußabdrucks. Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben, Integritätsanforderungen und damit verbundene Sanktionen können je nach Markt und Vergehen erhebliche finanzielle Folgen haben.

 


 

Um diese Risiken in der Beschaffung zu minimieren, gibt es verschiedene Strategien, die im besten Fall aufeinander abgestimmt sind. Besonders in Krankenhäusern, in denen die Routinen und Abläufe der Einkaufsabteilungen einen unmittelbaren Einfluss auf andere Fachabteilungen haben, kann die richtige Beschaffungsstrategie mit einer ganzheitlichen Neuausrichtung der Gesundheitsorganisation einhergehen, die digital und damit auch wieder attraktiv für gut ausgebildete Fachkräfte ist.

Grundsätzlich sind flexible und agile Beschaffungsprozesse entscheidend, um schnell auf unvorhergesehene Ereignisse und Marktveränderungen reagieren zu können und die Risiken entsprechend zu minimieren. Krankenhäuser, die ihre Prozesse fortwährend hinterfragen und den neuen Rahmenbedingungen anpassen, erhöhen sowohl ihre Resilienz als auch ihre betriebliche Effizienz und tragen so dazu bei, die Versorgung der Patienten auch in unsicheren Zeiten zu gewährleisten.

Sie fragen sich, wie das in der Praxis aussehen kann?

Hier sind acht Strategien für ein verbessertes Risikomanagement im Krankenhaus:   

 


 

1. Anschluss an Business-Netzwerke für ein verbessertes Lieferanten-Management

Der Grad der Flexibilität in der Beschaffung hängt maßgeblich von der Anzahl der Lieferanten ab. Krankenhäuser sind gut beraten, sich von Single-Sourcing-Strategien zu verabschieden und stattdessen ein intaktes Lieferanten-Netzwerk aufzubauen, sodass unvorhergesehene Nachfrageänderungen – wie etwa beim Ausbruch der Corona-Pandemie – die Versorgungskette nicht sofort ins Wanken bringen.

Einfacher wird das durch den Anschluss an Business-Netzwerke, die Gesundheitseinrichtungen in die Lage versetzen, ihre Sourcing-Strategien zu verfeinern und das Lieferanten-Management zu optimieren. Sofern ihre wichtigsten Geschäftspartner an das Netzwerk angeschlossen sind, erhalten sie aktuelle Produkt- und Preisinformationen sowie deren Verfügbarkeit und Lieferzeiten über einen zentralen Zugang.

Das Versenden und Empfangen von Bestellungen, Bestellbestätigungen, Lieferscheinen und Rechnungen erfolgt im Idealfall automatisch. Der Vorteil: Dadurch, dass der Status aller Transaktionen dokumentiert und archiviert wird, gewinnen Kliniken wichtige Erkenntnisse, die nützlich sind, um zu entscheiden, wer ihre bevorzugten Lieferanten sind – auch und vor allem in Krisenzeiten.

 


 

2. Aushandlung flexibler Verträge für eine verbesserte Allokation

Die Diversifizierung der Risiken geht auch mit neuen Vertragsklauseln einher, die Krankenhäusern mehr Flexibilität zusichern. Während der Preis und Mengenrabatte lange Zeit die wichtigsten Kriterien für die Wahl eines Lieferanten waren, spielt künftig die Risikobewertung eine zentrale Rolle. Gesundheitseinrichtungen sollten unter Umständen von Mindestabsatzmengen in den Verträgen abrücken und so die Grundlage für bedarfsgesteuerte Beschaffungsprozesse legen.

Die Anforderungen an die Flexibilität sollten sich in entsprechenden Rahmenbedingungen widerspiegeln. Der Trend geht von starren Verträgen mit Strafklauseln bei Anbieterwechseln zu flexiblen Abschlüssen und Lieferanten mit Frühwarnsystemen, die Einkäufer bei möglichen Engpässen präventiv informieren. Globale Daten über Krisen, politische Spannungen, Naturkatastrophen oder lokale Epidemien sollten erhoben und in Bewertungssysteme integriert werden, um Risiken zu erkennen, bevor es zu spät ist.

 


 

3. Diversifizierung der Risiken durch neue Kriterien in Scoring-Modellen

Für Krankenhäuser wird es zunehmend wichtiger, tiefere Einblicke in die Produktions- und Lieferketten zu erhalten. Der Ort und die Anzahl der Produktionsstandorte sind dabei ebenso relevant wie die Bewertung über eine Abhängigkeit von Herstellern und Zulieferern. Kliniken sind gut beraten, auf ihre Lieferanten zuzugehen und proaktiv zu fragen, welche Präventionsmaßnahmen sie und ihre Zulieferer unternommen haben, um Krisen abzufedern, und ob sie in der Lage sind, ihre Kunden im Vorfeld über mögliche Engpässe zu informieren.

Die entsprechenden Informationen sollten in die Scoring-Modelle zur Identifizierung von Risiken innerhalb der bestehenden Lieferkette und Minimierung des vorgelagerten Lieferkettenrisikos einfließen. Durch eine stärkere Nachfrage nach einer Diversifizierung der Risiken, die Lieferanten nur erreichen, wenn sie mit mehreren geografisch verteilten Zulieferern arbeiten, können Krankenhäuser das Risiko von Störfaktoren in den vorgelagerten Lieferketten minimieren und so ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen.

 


 

4. Intensivierung von Partnerschaften für mehr Verhandlungsmacht

Mit Blick auf den steigenden Kostendruck in der Branche, die auch vor den Lieferanten keinen Halt macht, sind die Preise von medizinischen Gütern und Verbrauchsmaterialien in den letzten Jahren teilweise explodiert. Besonders hart zu spüren bekommen das kleinere Krankenhäuser, die im Gegensatz zu Universitäts-Kliniken überschaubare Einkaufsvolumen haben und deshalb keine große Verhandlungsmacht genießen.

Der Anschluss an Einkaufsgemeinschaften oder eine Partnerschaft mit anderen Kliniken bietet Krankenhäusern die Möglichkeit, ihre Verhandlungsposition zu verbessern. Sie profitieren dabei nicht nur von Mengenrabatten, flexibleren Vertragsbedingungen und Zugang zu Premium-Produkten, sondern streuen auch die Risiken, die in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten besonders groß sind.

 


 

5. Nutzung von Business Insights für verbesserte Entscheidungen

Krankenhäuser haben noch immer nur einen begrenzten Einblick in ihre Bestands- und Verbrauchsdaten, die allerdings der Schlüssel sind, um eine bedarfsgerechte Beschaffung zu etablieren. Sie bilden nicht nur das Herzstück für eine optimierte Beschaffung, sondern auch die Grundlage für wichtige Entscheidungen. Nur wer einen Überblick über das Bestellverhalten oder seine Lagerbestände hat, ist in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um krisensichere Beschaffungsprozesse aufzusetzen.

Für Gesundheitsorganisationen ist es daher wichtiger denn je, mehr Transparenz über ihre Beschaffungsprozesse und die Folgen für die Versorgung zu gewinnen. Hier kommen Business Intelligence (BI) Lösungen ins Spiel, mit der Verantwortliche alle vorhandenen Daten jederzeit visualisieren, analysieren und auf dieser Basis gesicherte Entscheidungen treffen können. Gesundheitsorganisationen gewinnen so einen besseren Überblick über ihre Ausgaben, ihren Warenbestand oder die Nutzung von Systemen, und können ihre Beschaffung entsprechend optimieren.

 


 

6. Kategorisierung in Warengruppen für verlässliche Verbrauchs- und Kostenanalysen

Damit die oben genannten BI-Lösungen ihr volles Potenzial entfalten und Entscheider die richtigen Rückschlüsse ziehen können, müssen die Stammdaten auf Vordermann gebracht werden. Besonders wichtig ist dabei das strategische Warengruppen-Management. Eine gute Kategorisierung erleichtert sowohl die Analyse von Ausgabenmustern als auch die Identifizierung von Einsparmöglichkeiten und damit die gezielte Steuerung des Einkaufs.

Durch die Fokussierung auf bestimmte Warengruppen können zudem die Beziehungen zu ausgewählten Lieferanten aktiv gestaltet und die Zusammenarbeit optimiert werden. Dies ermöglicht eine fundiertere Bewertung und Steuerung der Beschaffungsrisiken, die sukzessive gesenkt werden können, wenn Einblicke in Marktsegmente, Markttrends und die Performance der Lieferanten richtig analysiert und ausgewertet werden.

 


 

7. Klassifizierungen für eine effiziente Suche nach Produktäquivalenten

Nicht minder wichtig ist die Klassifizierung der Produkte, eine Aufgabe, die ebenfalls in den Bereich der Stammdatenpflege fällt. Die Aufgabe mag manchen Krankenhäusern mühsam erscheinen, für eine Abfederung des Risikos von Lieferengpässen ist eine Klassifizierung der Produkte aber unerlässlich. So kann im Falle eines Engpasses beim Stammlieferanten in der gleichen Produktgruppe schnell und einfach nach Alternativen gesucht werden, idealerweise in einer digitalen Lösung, in der die Produkte aller relevanten Lieferanten gebündelt werden, um möglichst viele Produktäquivalente zu finden.

 


 

8. Einteilung von Produkten in Risikogruppen

Ebenfalls sinnvoll ist die Einteilung von Produkten in Risikogruppen. Dabei gilt: Je höher das Risiko für einen Lieferengpass in einer Risikogruppe ist, desto engmaschiger müssen Bestellung und Lieferung überwacht werden. Besonders bei Hochrisikoprodukten, die für den täglichen Bedarf im Krankenhaus von entscheidender Bedeutung sind, empfiehlt sich ein regelmäßiges Monitoring.

 


 

Es liegt auf der Hand, dass diese Strategien mit manuellen Routinen und Abläufen kaum in die Praxis umgesetzt werden können. Um ein effizientes Risikomanagement aufsetzen zu können, kommen Krankenhäuser an einer digitalen Transformation ihrer Prozesse nicht mehr vorbei. Neben dem Anschluss an ein Business-Netzwerk, das die Grundvoraussetzung für ein optimiertes Lieferanten-Management ist, sollten Gesundheitseinrichtungen vor allem in eine digitale Lösung für die Bestandsverwaltung investieren.

Ob Bestandserfassung auf Station und im OP-Saal, standortspezifische Verbrauchsanalysen oder eine digitale Dokumentation von Verfallsdaten – nur wenn die dazugehörigen Daten digital gesammelt und die Business Insights visuell einfach verdaulich aufbereitet werden, können daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden, um eine wirklich bedarfsgerechte Beschaffung einzuführen, die weniger anfällig für Krisen ist und so das Risiko von Lieferengpässen minimiert.

 

 

Geschäftsführer

Dr. Christoph Luz

Geschäftsführer

Dr. rer. med. Christoph Luz, Geschäftsführer der GHX Europe GmbH, ist ein ausgewiesener Experte für Supply-Chain-Lösungen im Gesundheitswesen. Mit seinem umfangreichen Fachwissen, das er aus seiner mehr als 30-jährigen Vergangenheit im IT-Bereich sowie im strategischen Management zieht, gilt er in Deutschland, der Schweiz und Österreich als eine der Schlüsselfiguren der Branche.

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