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Bestandsverwaltung im Krankenhaus: Vorsicht vor den Folgen eines ineffizienten Bestandsmanagements

Montag, 18. Dezember 2023

Bestandsverwaltung im Krankenhaus: Vorsicht vor den Konsequenzen eines ineffizientes Bestandsmanagements

Fehlende Transparenz über die Bestände, begrenzte Lagerkapazitäten, zu viel Verschwendung – ineffiziente Prozesse in der Bestandsverwaltung kosten Krankenhäuser nicht nur Zeit und Geld, sie gefährden auch die Patientenversorgung. Gesundheitsorganisationen sollten die Wurzel allen Übels anpacken, indem sie eine Transformation ihres Bestandsmanagements einläuten. Schlüssel zum Erfolg sind digitale Lösungen, durch die Krankenhäuser etwas gewinnen, das ihnen für die Etablierung einer effizienter Bestandsverwaltung bisher fehlt: Daten.

 

 


 

Ordnung ist nicht nur das halbe Leben, im Krankenhaus kann sie sogar Leben retten. Wenn Kleinigkeiten über Leben und Tod entscheiden, müssen nicht nur die medizinischen Handgriffe sitzen, sondern auch die Artikel und Geräte dort zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden. Die Bestandsverwaltung von medizinischen Produkten und deren logistische Planung spielen im Krankenhaus deshalb eine entscheidende Rolle, um lebenswichtige Mittel und Geräte griffbereit zu haben.

Dabei geht es vor allem darum, auf Notfälle vorbereitet und schnell handlungsfähig zu sein. Die gute Nachricht ist, dass die meisten Gesundheitsorganisationen hierzulande so aufgestellt sind, diese Herausforderungen zu meistern. Weil die Bestandsverwaltung in den meisten Krankenhäusern immer noch ein zeit- und ressourcenintensiver Prozess ist, müssen sich Kliniken allerdings ordentlich strecken, um den Anforderungen gerecht zu werden und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

 


 

Ein Blick auf die Zahlen macht nämlich deutlich, dass die Prozesse für die Bestandsverwaltung im Krankenhaus hochgradig ineffizient und deshalb mit immensen Kosten verbunden sind: Laut einer Studie von Medtronic wendet das klinische Personal durchschnittlich 15 bis 20 % seiner Zeit auf, um die Bestände zu verwalten. Prüfung der Lagerbestände auf Station oder im OP-Saal, Nachbestellungen, Dokumentation von Verfallsdaten – die Liste von nicht-klinischen Aufgaben ist oft so lang, dass die Patientenversorgung zu kurz kommt.

Dass in Krankenhäusern trotzdem zwischen 6 und 13% der medizinischen Produkte und Verbrauchsgüter weggeworfen, bevor sie verwendet werden, offenbart, dass die investierte Zeit nicht immer zum gewünschten Ergebnis führt. Das gilt auch für die Verwaltung der Konsignationslager, wo Logistikmitarbeiter laut der Medtronic-Analyse rund 20% ihrer Zeit investieren, um Probleme mit Lagerbeständen aus der Welt zu schaffen, die aufgrund ineffizienter Strukturen und Prozesse entstehen (bspw. fehlerhafte Bestandszählungen, Korrektur von Verbrauchsmeldungen oder die Ablehnung von Nachbestellungen durch Lieferanten).

 


 

Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, dass ineffiziente Prozesse in der Bestandsverwaltung für Krankenhäuser mit erheblichen Konsequenzen verbunden sind, die sich in Zeit und damit auch Geld umrechnen lassen. Werfen wir einen Blick auf vier konkrete Folgen, um nicht nur die Herausforderungen besser zu verstehen, sondern später auch der Ursache für die Probleme auf den Grund zu gehen:

 

1. Fehlende Transparenz über Bestände

Die schwerwiegendste Folge einer ineffizienten Bestandsverwaltung im Krankenhaus ist die fehlende Transparenz. Gesundheitsorganisationen wissen weder, welche Artikel in welchem Umfang verfügbar sind, noch, wo sie sich befinden, geschweige denn, wann die medizinischen Produkte vor dem Verfall stehen.

In diesem Kontext sind es vor allem vier Fragen, die viele Krankenhäuser nur unzureichend beantworten können:

  1. Wo befinden sich ihre wichtigsten Artikel?
  2. Wann gehen die wichtigsten Artikel aus?
  3. Welche Artikel werden in Kürze ihr Ablaufdatum erreichen?
  4. Welche Artikel müssen kurz- bis mittelfristig nachbestellt werden?

 

Diese mangelnde Transparenz betrifft nicht nur eine Abteilung, sondern zieht sich oft durch die gesamte Organisation – von der Logistik über den Einkauf und den Wareneingang bis zur Station und den OP-Saal. Die Folge sind einerseits Überbestellungen und Verschwendung, andererseits steigt aber auch das Risiko von Lieferengpässen.

 

2. Mangelnde Lagerkapazitäten

Der vorangegangene Gedanke zeigt, dass Krankenhäuser in einem Dilemma stecken: Einerseits besteht die Forderung nach maximaler Verfügbarkeit, um Lieferengpässen zu trotzen; andererseits sind sie mit Blick auf die begrenzten Lagerkapazitäten gezwungen, ihre Bestände zu reduzieren. Besonders die Neigung, zu viel, anstatt bedarfsgerecht zu bestellen, führt dazu, dass Krankenhäuser zu wenig Lagerplatz haben.

Diese logistischen Engpässe sind erneut ein Thema, das weite Kreise zieht: Auf der Station sind die Regale oftmals mit medizinischen Produkten und Verbrauchsmaterialien vollgepackt, die nur selten gebraucht werden; im Zentral- und Konsignationslagern fehlt ebenfalls häufig der Platz, um kritische Artikel und Verbrauchsgüter aufzubewahren.

 

3. Verschwendung von medizinischen Produkten und Verbrauchsgütern

Offizielle Zahlen findet man für den deutschen Markt vergebens, aber laut Schätzungen verfallen bei uns sogar 10 bis 16% der medizinischen Produkte und Verbrauchsgüter, bevor sie verwendet werden. Der Grund liegt in den Sicherheitsbeständen, die in Krankenhäusern oftmals einen großen Anteil der Lagerbestände ausmachen. Und weil weder Logistiker noch das klinische Personal die Zeit haben, um Verfallsdaten zu dokumentieren, geschweige denn zu überprüfen, landen viele der Produkte im Müll.

Das hat natürlich nicht nur negative Folgen für die Bilanzen, sondern auch für unser Klima. Viele Medizinprodukte und Materialien medizinischer Verbrauchsgüter müssen hygienisch entsorgt werden, oftmals in Sonderverbrennungsanlagen, die viel Energie kosten. Zum erklärten Ziel der Branche, den ökologischen Fußabdruck zu verringern und vor allem den logistischen Bereich grüner zu gestalten, tragen Gesundheitsorganisationen mit einem intuitiven Bestandsmanagement also wenig bei – im Gegenteil, sie sorgen dafür, dass das Gesundheitswesen die Branche mit dem größten CO2-Ausstoß bleibt.

 

4. Unzureichende Patientenversorgung

Zu Beginn ist klar geworden, dass ineffiziente Prozesse im Bestandmanagement einen unmittelbaren Einfluss auf die Patientenversorgung haben können. Es versteht sich von selbst, dass ein eingehender Notfall schnell behandelt werden sollte, sodass die richtigen Artikel zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein müssen.

Doch es gibt auch andere Anwendungsfälle, die Logistik und damit die Bestandsverwaltung im Krankenhaus betreffen. Bestes Beispiel: die Rückverfolgbarkeit von Chargen. Setzen Kliniken in der Dokumentation von Chargen auf manuelle Prozesse, geraten sie bei Rückrufen in ernsthafte Schwierigkeiten, schließlich wird die Ermittlung von betroffenen Patienten dann schnell zur Suche nach der berüchtigten Nadel im Heuhaufen. Krankenhäuser müssen in diesem Fall nicht nur mit rechtlichen Schritten in Form von Schadensersatzklagen rechnen, sondern riskieren möglicherweise sogar Menschenleben.

 


 

Wenn Sie im Gesundheitswesen beschäftigt sind, dürften Sie den Grund für die oben beschriebenen Herausforderungen kennen: Es sind die manuellen Prozesse, die das Bestandsmanagement im Krankenhaus zu einer Domäne machen, die viel Zeit kostet, fehleranfällig und damit hochgradig ineffizient ist. Während andere Bereiche wie die Beschaffung oder das Auftragsmanagement mittlerweile digitalisiert wurden, dominieren in der Bestandsverwaltung oftmals veraltete Verfahren und Strukturen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass Bestände mittels Tabellenkalkulationen in Excel-Listen dokumentiert werden – mit halbwegs intelligenten Formeln im Hintergrund, aber immer noch mit einem erheblichen Risikopotenzial.

Werden Lagerbestände, Verbrauchs- oder Ablaufdaten manuell in eine Tabellenkalkulation eingegeben oder gar mit Stift und Papier verfolgt, ist der Spielraum für menschliches Versagen groß. Das Scrollen durch wenig intuitive Tabellenkalkulationen, das Durchsuchen von Kartons nach Vorräten oder manuelle Bestandszählungen kosten zudem wertvolle Zeit, die Beschäftigte im Krankenhaus sinnvoller nutzen sollten, allen voran Ärzte und das klinische Personal, das sich im Tagesgeschäft um den Patienten kümmert.

 


 

Eine Möglichkeit zu mehr Effizienz im Bestandsmanagement bietet die Modulschrankversorgung, die hierzulande in vielen Krankenhäusern zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um Schranksysteme, die die Lagerung und Versorgung von Bedarfsgütern (Medikalprodukte, Arzneimittel, Wäsche und Sterilgüter) auf den jeweiligen Stationen optimieren sollen, indem Fachkräfte die Lagerorte ablaufen und über einen Scanner erfassen, welche Artikel benötigt werden. Die Artikel werden kommissioniert, die Lager entsprechend aufgefüllt.

Obwohl hier Prozesse zweifelsohne optimiert werden, fällt die Modulschrankversorgung allenfalls in die Rubrik Teilautomation. Die gute Nachricht ist, dass Bestellmengen und Bestellfrequenzen für definierte Kostenstellen analysiert werden können, um Anforderungen besser zu verstehen und zu optimieren. Es fehlen aber auch weiterhin Daten, die notwendig sind, um die Bestandsverwaltung im Krankenhaus effizient zu gestalten – von der Dokumentation von Haltbarkeitsdaten bis hin zur Zuordnung auf Patientenebene. Solange nicht klar ist, welcher Artikel für welchen Eingriff an welchen Patienten verwendet wird, kann weder der wirkliche Wert eines Produkts ermittelt, geschweige denn eine bedarfsgerechte Bestandverwaltung etabliert werden.

 


 

Der Weg, veraltete, fehlerhafte und ineffiziente Prozesse abzulösen, führt über die digitale Transformation. Durch die Nutzung von cloudbasierten Software-Lösungen generieren Krankenhäuser Daten, von denen – falls sie interoperabel verarbeitet und entsprechend genutzt werden – die gesamte Organisation profitiert. Dabei muss es das Ziel sein, den Fachabteilungen so viele für ihren Aufgabenbereich relevante Informationen wie möglich bereitzustellen.

 

 

Das Zauberwort für mehr Effizienz im Bestandsmanagement lautet daher Transparenz. Ob Bestandserfassung auf der Station, standortspezifische Verbrauchsanalysen oder eine digitale Dokumentation von Verfallsdaten – wenn die dazugehörigen Daten gesammelt, analysiert und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden, können Lagerkapazitäten optimiert, Abfälle reduziert und eine bedarfsgerechte Beschaffung eingeführt werden. Nur so schaffen es Krankenhäuser, sich effizienter und gleichzeitig nachhaltiger aufzustellen. Für geringere Kosten in der Beschaffung. Und nicht zuletzt für eine bessere Patientenversorgung.

 

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Hani Jomaa

Senior Technical Product Manager