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Fachkräftemangel im Krankenhaus: Wie digitale Lösungen das Personal entlasten und die Pflege wieder attraktiv machen

Montag, 15. Mai 2023

Fachkräftemangel im Krankenhaus: Wie digitale Lösungen das Personal entlasten und die Pflege wieder attraktiv machen.

Deutschen Krankenhäusern laufen die Pflegekräfte davon. Studien zeigen ein düsteres Bild auf, das die Zukunft vieler Kliniken gefährdet. Doch es gibt Hoffnung: Der Fachkräftemangel im Krankenhaus kann nicht nur abgefedert werden; mit den richtigen Lösungen können Kliniken abgewanderte Pflegekräfte sogar zurückgewinnen – und ihre Organisation effizienter für die Zukunft aufstellen.

 

 


 

Deutschen Krankenhäusern fehlt es nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern vor allem an Fachkräften. Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu, aber die Herausforderung, Personal zu finden und zu halten, wird immer dramatischer. Während die Gewerkschaft Verdi vor drei Jahren davon ausging, dass rund 80.000 Pflegestellen unbesetzt sind, sollen es mittlerweile mehr als 100.000 sein. Das Problem wird noch gravierender, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen kontinuierlich steigt. Im Jahr 2035 wird es hierzulande 6,3 Millionen pflegebedürftige Menschen geben, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat – ein Plus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum aktuellen Stand.

Die Führungskräfte in deutschen Krankenhäusern haben das Problem längst erkannt und zum Schlüsselthema auserkoren. Wie aus der Roland Berger Krankenhausstudie 2022 hervorgeht, rangiert der Fachkräftemangel noch vor Themen wie Digitalisierung, Ambulantisierung sowie Kosten- und Effizienzdruck ganz oben auf der Agenda, wenn es um die strategische Ausrichtung für die nächsten fünf Jahre geht.

 


 

Dass das Problem in dieser Dimension besteht, liegt nicht daran, dass die Fachkräfte gänzlich fehlen. Vielmehr hat die Corona-Pandemie, die die Überbelastung deutscher Krankenhäuser und des klinischen Personals offengelegt hat, viele gut ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger ihre berufliche Situation überdenken lassen. Sie haben den Krankenhäusern den Rücken gekehrt, nicht nur wegen der relativ geringen Verdienstmöglichkeiten, sondern vor allem wegen der Überbelastung, die im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoch ist, wie eine Studie der Hans Böckler Stiftung zeigt.  

 

Studie zum Pflegenotstand: Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass sich Pflegekräfte hierzulande um mehr Patienten kümmern müssen als in anderen Ländern.

 

Die gute Nachricht: Wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern, sind viele ehemalige Pflegekräfte bereit, wieder einzusteigen. Laut einer Online-Befragung der Hans Böckler Stiftung, an der rund 12.700 ausgestiegene sowie in Teilzeit beschäftigte Pflegekräfte teilgenommen haben, ergibt sich ein rechnerisches Potenzial von 300.000 Pflegekräften in Vollzeit bei vorsichtiger Kalkulation, in einem optimistischen Szenario sogar von bis zu 660.000 Vollzeitkräften. Als Voraussetzung für eine Rückkehr bzw. Aufstockung der Stunden führten die meisten Befragten eine Personaldecke an, die sich tatsächlich am Bedarf der pflegebedürftigen Menschen ausrichtet.

 


 

Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn natürlich gehen bessere Arbeitsbedingungen mit mehr Pflegepersonal einher – allerdings nicht nur. Denn Krankenhäuser können die Bedingungen für ihre klinischen Kräfte auch aus eigener Hand attraktiver gestalten, indem sie sie von administrativen Aufgaben befreien, die zeitintensiv sind und sich negativ auf die Patientenversorgung auswirken.

Dazu gehören neben Dokumentationstätigkeiten vor allem die Artikelsuche sowie die Bestellung von medizinischen Artikeln – zwei Domänen, die eigentlich nicht in den Aufgabenbereich der Pflegekräfte fallen sollten, es in der Praxis aber leider häufig tun. Erschwerend kommt hinzu, dass diese nicht-klinischen Aufgaben von manuellen Prozessen geprägt sind. Um die benötigten Artikel zu finden, wälzen klinische Fachkräfte unzählige Lieferantenkataloge, vergleichen Preise und Artikelinformationen, übertragen die Daten – oft handschriftlich – in Excel-Tabellen und schicken sie per Fax oder Hauspost an den Einkauf.

 


 

Es ist kaum verwunderlich, dass diese Prozesse nicht nur viel Zeit kosten, sondern auch überaus fehleranfällig sind. Als Konsequenz kommt es immer wieder zu Rückfragen, sowohl intern als auch in der Kommunikation mit Lieferanten. Das ernüchternde Ergebnis: Pflegekräfte wenden allein für die Artikelsuche, die Bedarfsanforderung und die Beantwortung von Rückfragen zu Bestellungen mehrere Stunden pro Woche auf. Darunter leidet nicht nur die Moral, es fehlt auch die Zeit für die eigentliche Aufgabe, nämlich die Pflege der Patienten.

Der Fachkräftemangel im Krankenhaus ist also keineswegs nur den dünnen Personaldecken geschuldet, sondern auch den internen Strukturen. Das Gesundheitswesen hinkt bei der Digitalisierung zu weit zurück, sodass zu oft in starren Mustern gearbeitet und Silos gedacht wird. Der Versuch, neue bzw. alte Pflegekräfte zurückzugewinnen, erfordert daher auch einen Change-Management-Prozess, der mit einem höheren Automatisierungsgrad einhergeht, und Krankenhäusern langfristig nicht nur dabei hilft, klinische Fachkräfte zu finden, sondern die gesamte Organisation effizienter aufzustellen.

 


 

Schlüssel zum Erfolg sind digitale Lösungen, die einfach zu integrieren sind und organisationsübergreifend genutzt werden können. Bestes Beispiel ist das Data Sourcing, also die Beschaffung von zuverlässigen Artikel- und Preisdaten, die im Krankenhaus die Grundlage für fehlerfreie Bestellungen bilden und damit kritisch die Patientenversorgung sind.

Bei der Artikelsuche benötigen sowohl die klinischen Fachkräfte als auch der Einkauf und andere Abteilungen einen zentralen, digitalen Zugriff auf aktuelle Produkt- und Preisdaten ihrer Lieferanten. Wenn Sie so wollen, müssen Sie eine Single Source of Tuth für hochwertige Artikeldaten schaffen. Die Customer Experience für die Anwender ist dabei von zentraler Bedeutung. Das heißt: Such- und Filterfunktionen sollten ebenso zu einer intuitiven Benutzeroberfläche gehören wie praktische Merklisten und das Anzeigen der wichtigsten Artikelinformationen. Nur so ist gewährleistet, dass die benötigten Artikel einerseits einfach gefunden und andererseits auch schnell angefordert werden können.

 

 

Besonders effizient wird das Data Sourcing, wenn der Einkauf das Sortiment für die Bedürfnisse der klinischen Fachabteilungen vorab kuratiert. Entsprechende Bedarfsträger bekommen dabei nur die für sie relevanten Artikel angezeigt. Auch vorkonfigurierte Artikellisten für spezifische Anwendungsfälle vereinfachen den Prozess und minimieren administrative Aufwände. Und klinische Fachkräfte, die ihre oft bestellten Artikel in digitalen Favoritenlisten speichern, müssen erst gar nicht suchen, sondern können direkt auf ihre ehemaligen "Hitlisten" zugreifen.

 


 

Der Einkauf sollte für die Bedarfsträger ähnlich intuitiv und zeitsparend gestaltet werden wie das Data Sourcing. Klinische Fachkräfte müssen in der Lage sein, die Artikel zu ordern, die sie benötigen. Das geht im besten Fall auch über mobile Anwendungen, die an die Benutzeroberflächen moderner Shopping-Plattformen angelehnt sind. Denn wenn wir regelmäßig per App bei Amazon & Co. bestellen und die intuitive User Experience aus dem privaten Alltag gewohnt sind, warum sollten es Krankenhäuser ihren Mitarbeitern im beruflichen Umfeld unnötig schwer machen, wenn sie Artikel finden und bestellen wollen?

Dass sie so dabei den Überblick über ihre Ausgaben in der Beschaffung verlieren, ist übrigens ein Irrglaube. Die Kontrolle bei der Beschaffung kann und sollte weiterhin beim Einkauf liegen. Über eine digitale Lösung können Einkaufsabteilungen umfassende Einsicht in die Bedarfsanforderungen und Bestellungen haben. Als letzte Instanz können sie Ausnahmefälle oder Fehler bearbeiten und so die Bedarfsträger, in unserem Fall die Pflegekräfte, dabei unterstützen, die benötigten Artikel so schnell wie möglich zu bestellen.

 


 

Kommen wir noch einmal zurück zur Roland Berger Krankenhausstudie, die ich eingangs erwähnt habe, denn so schließt sich der Kreis. Während der Fachkräftemangel das erklärte Kernthema für die nächsten fünf Jahre ist, gaben die Entscheider deutscher Kliniken auch die Themen Digitalisierung (Platz 2) sowie Kosten- und Effizienzdruck (Platz 4) als größte Herausforderungen für die Zukunft an.

Ich denke, es ist offensichtlich geworden, dass diese Herausforderungen nicht voneinander losgelöst betrachtet werden können, sondern als Kausalkette verstanden werden müssen. Die digitale Transformation führt zu effizienteren Prozessen und damit auch besseren Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Natürlich sind digitale Lösungen nicht der einzige Weg, um das Problem des Fachkräftemangels im Krankenhaus zu lösen; sie können aber ein zentrales Instrument sein, um das Leben der Fachkräfte einfacher und die Pflege wieder attraktiv zu machen.

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Dr. Christoph Luz

Geschäftsführer